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Ab in die Zukunft: In 10 Schritten zum Übermorgengestalter | Ein Beitrag von Anne M. Schüller

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Innovationen sind der Umsatz von übermorgen. Man muss frühzeitig beginnen, um sie startklar in der Pipeline zu haben, wenn die alten Lösungen es nicht mehr bringen. Die Zukunft liegt in den Händen derer, die mit frischem Denken und Tun die entscheidenden Umbrüche wagen. Ich nenne sie Übermorgengestalter.

Kennen Sie den Kairós? Er ist ein Gott aus dem Olymp, womöglich ein Sohn des Zeus. Kairós steht für den richtigen Augenblick, den passenden Moment, die besondere Gelegenheit, die man aktiv ergreifen muss, um den Fortgang der Ereignisse und damit seine Zukunft zu gestalten. Der Bildhauer Lysippos hat Kairós als Jüngling dargestellt, der an der Stirn eine lockige Haarsträhne trägt, jedoch einen kahlen Hinterkopf hat. So bekommt man ihn nicht mehr zu fassen, sobald er mit seinen beflügelten Füßen vorbeigehuscht ist. Daher die Redewendung: Die Gelegenheit beim Schopfe packen.

Man muss behände sein, ein gutes Auge haben und die Herausforderung lieben, will man die Chance, den Kairós, zu fassen kriegen. Übermorgengestalter sehen ihn schon von Weitem kommen und erwischen seine Haarlocke oft. Über alle Grenzen hinweg entwickeln sie Initiativen, die Ideen, Wissen und Können neu miteinander verknüpfen. Transformativ, agil und dynamisch vernetzen sie die virtuelle mit der realen Welt auf immer neue, mutige, bahnbrechende Weise. Denn sie sind Zukunftsversteher.

Zukunftsversteher verstehen: Geopolitische Aktivitäten, eine Vielzahl von Krisen, der sich dramatisierende Klimawandel wie auch die Neukombination bislang getrennter Technologien und Industrien sorgen für vielerlei Wechselwirkungen, die sich im Vorfeld gar nicht absehen lassen. Jede technologische Verbesserung führt zudem dazu, dass die nächste Verbesserung rascher erreicht werden kann. In einem derart unvorhersehbaren Umfeld ist es unmöglich, im Voraus zu wissen, was funktionieren wird und was nicht. Wer aber zögerlich wartet, wie sich das Ganze entwickelt, wird nicht schnell genug sein, um die Vorsprünge Anderer einzuholen.

Übermorgengestalter: der Voraustrupp ins Neuland

Veränderungsängstliche Kontinuitätsprotagonisten kann sich kein Unternehmen noch länger leisten. Es sind die Vorreiter und Schrittmacher, die experimentierfreudigen Weiterdenker und Übermorgengestalter, die mit Tatkraft und Durchhaltevermögen den Wandel initiieren. Als Aus-der-Reihe-Tänzer, Um-die-Ecke-Denker und Über-den-Tellerrand-Schauer sind sie die treibende Kraft, damit das notwendige Neue entsteht. Sie sind Brückenbauer zwischen gestern, heute und morgen, Voraustrupp ins Neuland, Helfershelfer auf dem Weg in die Zukunft, Lotsen in die kommende Zeit. Sie ehren das Gute und plädieren zugleich für das bessere Neue. Sie agieren wie ein Frühwarnsystem. Oft sind sie die Ersten, die instinktiv merken, wenn in der Firma was aus dem Ruder läuft. Sie sprühen vor Ideen, wie man das, was in die Jahre gekommen ist, besser machen könnte, sollte und müsste – im Kleinen wie auch im ganz Großen. Sie reden Klartext, wenn sie Verfahrensweisen aufgespürt haben, die aus der Zeit gefallen sind. Sie brandmarken alles, was für Kollegen und Kunden eine Zumutung ist.

Als Early Adopter und mutige Vorwärtsstürmer wagen sie sich auch dorthin, wo noch niemand vor ihnen war. Abenteuer beginnen, wo asphaltierte Wege enden. Vorne im Neuland ist da, wo noch niemand sich auskennt und wo man erst einen Weg finden muss. Die meisten Chancen gibt es auf unbekanntem Terrain. Und ja natürlich, dabei kann man sich auch verlaufen. Doch wer sich nie verirrt, findet auch keine neuen Wege. Und nur, wer Risiken eingeht, kann Entdeckungen machen.

Es gibt keine Vollkaskoversicherung für gute Ideen

Kein Unternehmen wird Innovationssprünge erzielen, wenn es seine Mitarbeiter:innen dafür belohnt, ihre Arbeit „at target, on budget, in time“ abzuliefern, also Punktlandungen auf Vorgaben zu machen. Niemand kann sich mit dem Übermorgen befassen, wenn er Zielen aus dem Vorjahr hinterherlaufen soll. Wer vorgefassten Verfahrensweisen präzise folgt, erblindet für die tatsächlichen Chancen.

Im Neuland gibt es keine Erfolgsgarantien – und keine Vollkaskoversicherung für gute Ideen. Zukunft kann man nicht zählen und messen, denn sie ist noch gar nicht passiert. Märkte, die noch nicht existieren, können nur hoffnungsvoll voreingeschätzt werden. Ein Alptraum für den Controller. Der will keine Abenteuer, sondern exakte Zahlen und einen festen Plan. So versanden selbst die besten Initiativen.

Übermorgengestaltern hingegen ist klar: Auf ausgetretenen Pfaden kann man kein Neuland entdecken, und mit vergilbtem Kartenwerk kommt man in neuen Gefilden nicht weit. Sie sind keine Hasardeure oder Fantasten, die sich tollkühn ins Wildwasser stürzen. Sie gehen die Dinge wohlüberlegt, doch mit großer Offenheit an. Sie sind auch keine Exoten, die man nur milde belächelt, sondern sie sind: die wichtigsten Menschen in den Organisationen, die den Sprung nach vorn schaffen wollen.

Leider weht dem Neuartigen oft eine steife Brise entgegen. Früher landeten viele, die Altbewährtes infrage stellten und durch disruptiv Neues ersetzten, in der Verbannung, am Galgen oder auf dem Schafott. Selbst heute erfährt das ganz und gar Neue gefährlich oft den erbitterten Widerstand der Nutznießer des Alten. Verlustaversion, Besitzstandswahrung und Trägheit sind in der traditionellen Wirtschaft weit verbreitet.

Doch Übermorgengestalter hält das nicht auf. Aus der Mitte des Unternehmens heraus ergreifen sie Initiativen, die die Zusammenarbeit befruchten, den Weg in die Zukunft ebnen, das Miteinander lebenswert machen und drängende gesellschaftliche Probleme lösen. Wie die Kulturanthropologin Margaret Mead so wunderbar sagte: „Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe engagierter Menschen die Welt verändern kann – tatsächlich ist dies die einzige Art und Weise, in der die Welt jemals verändert wurde.“

Zehn Schritte, damit das Übermorgengestalten gelingt

Damit eine Veränderungsinitiative tatsächlich gelingt, folgt man als einzelner Initiator am besten folgendem Plan:

1. Zunächst braucht man eine Idee, für die man wirklich brennt, an die man felsenfest glaubt, für die man etwas auf sich zu nehmen bereit ist.

2. Reden Sie dann mit unterschiedlichen Menschen über diese Idee, um den eigenen Blickwinkel zu weiten, neue Perspektiven zu entdecken und die Idee zu schärfen.

3. Danach ist es entscheidend, nicht allein zu bleiben. Suchen Sie sich Mitstreiter, Follower, Unterstützer, Verbündete, gut Vernetzte.

4. Spielen Sie nicht den Anführer, nur, weil Sie der Initiator sind. Seien Sie ein Gleicher unter Gleichen. Alle bringen etwas ein, um zum Erfolg beizutragen.

5. Definieren Sie gemeinsam Ihr Ziel und den Purpose, den „Reason Why“ Ihrer Aktion. Finden Sie einen klingenden Namen, vielleicht sogar ein passendes Logo.

6. Schaffen Sie eine Netzwerk-Plattform, über die Sie sich unkompliziert austauschen können. Sorgen Sie für reale Treffen, gute Strukturen und Verantwortlichkeiten.

7. Fliegen Sie in der frühen Phase unter dem Radar, damit Sie gefahrlos erkunden, üben, experimentieren und testen können.

8. Steht das Konzept, dann suchen Sie nach einem Sponsor und Schutzpatron, der Ihnen Ressourcen gibt und Sie an höherer Stelle unterstützt.

9. Rechnen Sie mit Widerstand, mit Bremsern und Blockierern. Bereiten Sie sich fachlich und emotional auf sie vor. Seien Sie faktensicher, schärfen Sie Argumente.

10. Wenn die Sache dann läuft, machen Sie sich sichtbar: Hängen Sie Ihre Initiative an die große Glocke, suchen Sie sich Bühnen, verbreiten Sie Erfolgsstorys, schmieden Sie Allianzen. Und, ganz wichtig: Feiern Sie das Gelingen.

Weichensteller, Innovator, Übermorgengestalter: Wir alle können das sein. Selbst durch den kleinsten Anstoß kann eine bessere Zukunft entstehen. Dies geschah zum Beispiel bei der Initiative „Gerne per Du“. Sie begann damit, dass einer diese drei inspirierenden Worte unter seine E-Mail-Signatur setzte und als Hashtag benutzte. Dieser minimale erste Schritt hat ganze Unternehmenskulturen verändert.


Über die Autorin

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenzentrierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Tagungen, Fachkongressen und Online-Events. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Beim Business-Netzwerk Linkedin wurde sie Top-Voice 2017 und 2018. Von Xing wurde sie zum Spitzenwriter 2018 und zum Top Mind 2020 gekürt. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager und zertifizierte Orbit-Organisationsentwickler aus. www.anneschueller.de

Das neue Buch der Autorin

Anne M. Schüller: Bahn frei für Übermorgengestalter

Gabal Verlag 2022, 216 S., 24,90 €, ISBN 978-3967390933

Das Buch zeigt 25 rasch umsetzbare Initiativen und weit über 100 Aktionsbeispiele, um zu einem Überflieger der Wirtschaft zu werden. Kompakt und sehr unterhaltsam veranschaulicht es jedem, der helfen will, eine bessere Zukunft zu gestalten, die maßgeblichen Vorgehensweisen in drei Bereichen: Wie machen wir die Menschen stärker, das Zusammenarbeiten besser und die Innovationskraft im Unternehmen größer.

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